Klare LInIen

Ich denke, der Mensch von heute sehnt sich mehr denn je nach klaren Strukturen und klaren Linien.
Verwirrt durch neue Medien und immer schneller und absurder werdenden Nachrichten
sucht er die Einfachheit des Lebens. Für mich persönlich ist Hermann Hesse in dieser Hinsicht
ein ganz bedeutender Mensch, denn er hat in seinen Werken – besonders in den Gedichten – immer versucht,
sich kompromisslos und radikal den grundlegenden Themen unseres Daseins zu widmen.
Es fällt auf, dass in seinen Gedichten das Thema Vergänglichkeit und Tod einen großen Stellenwert hat.
So auch in dem Folgenden mit dem Namen “November”

Alles will sich nun verhüllen und entfärben,
Nebeltage brüten Angst und Sorgen,
Nach der Nacht voll Sturm klirrt Eis am Morgen,
Abschied weint, die Welt ist voll von Sterben.

Sterben lern auch du und dich ergeben,
Sterbenkönnen ist ein heiliges Wissen.
Sei bereit zum Tod – und hingerissen
Wirst du eingehn zu erhöhtem Leben!

Ich finde dieses Gedicht einfach wunderbar. Er vergleicht den Monat November mit Abschied und Tod.
Das stimmt auch, denn die Natur scheint zu sterben und sich zu verabschieden -
zumindest in sich zu kehren, um neues Leben hervor zu bringen.
Für Bäume, Tiere und Pflanzen ist das Sterben ein ganz normaler und nicht betrauernswerter Vorgang.
Die Botschaft für uns Menschen besteht in dem Gedicht ganz bestimmt darin,
den Tod vor zu empfinden. Nicht hilflos darauf zu warten. Die Weisheit “Stirb, bevor Du stirbst”
wird jeder schon einmal gehört haben und selbst Johann Wolfgang von Goethe hat einst geschrieben
“Bevor Du dies nicht hast, dieses stirb und werde, bist Du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde.”

Es geht hier schlicht um die Anerkennung und Würdigung der eigenen Vergänglichkeit -
nicht mehr und nicht weniger – und diese ist nun einmal eine unumstößliche Tatsache,
ob es jemandem gefällt oder nicht. Sobald man diese Vergänglichkeit akzeptiert hat,
wird man nach Hesse “zu einem erhöhten Leben eingehen!”,
was meines Erachtens so viel heißen soll, als daß man dann jeden einzelnen
Augenblick auf das Höchste zu schätzen weiß, da jeder Einzigartig und Wertvoll ist.
Somit könnte man sagen, es ist ein fröhliches Gedicht!

2 Gedanken zu “Klare LInIen

  1. sehr interessante gedanken. ich sehe es wie du: bewußt leben und sterben als einen zugehörigen, abschließenden teil des lebens akzeptieren – natürlich ohne melancholisch bzw. depressiv zu werden und in einen herbst-/winter-blues zu verfallen

  2. Nein, der Tod ist für mich nur dahingehend deprimierend, als dass ich Angst davor habe, dass geliebte Menschen vor mir gehen und ich diesen Schmerz durchmachen muss. Mein eigener Tod ist mir ehrlich gesagt willkommen, weil unausweichlich. Vor dem Tod habe und hatte ich noch nie Angst. Ich habe Angst vor körperlichen Schmerzen, die oftmals davor kommen!

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