Hesse am Abend

Spät auf staubiger Straße geh ich,
Mauerschatten fallen schräg
Und durch Rebenranken seh ich
Mondlicht über Bach und Weg.

Lieder, die ich einst gesungen,
Stimm ich leise wieder an,
Ungezählter Wanderungen
Schatten kreuzen meine Bahn.

Wind und Schnee und Sonnenhitze
Vieler Jahre weht mir nach,
Sommernacht und blaue Blitze,
Sturm und Reise-Ungemach.

Braungebrannt und vollgesogen
Von der Fülle dieser Welt,
Fühl ich weiter mich gezogen,
Bis mein Pfad ins Dunkle fällt.

(“Gang am Abend”, Hermann Hesse 1917)