Alltag

Wenn man eine Unternehmung wie diese angeht, dann stellen sich im Vorfeld drei ganz gravierende Fragen.

1. Hab ich genug Zeit?
2. Hab ich genug Geld?
3. Hab ich den nötigen geistigen Unterbau?

Die Frage nach der Fitness muss jeder für sich selbst beantworten. Ich war damals ein Ex-Polizist in den Anfang-30-ern, kurz nach meiner Zeit in den Einsatzhundertschaften und körperlich auf dem Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit. Deshalb hab ich dieser Frage damals keinerlei Bedeutung beigemessen.

Es klingt vielleicht sehr romantisch, wenn man meine Einträge liest und die Bilder anschaut, aber es sind eben nur optimale Momentaufnahmen. Wenn man den ganzen Tag mit Zelt und Rucksack so vogelfrei in fremden Ländern unterwegs ist, dann hat das auch andere Qualitäten.

Das größte durchgehende Problem war die Unterkunftssuche. Es war bei mir nicht so wie z. B. bei einem Santiago-De-Compostela-Pilger, der alle 20 km eine Pilgerunterkunft findet, wo er für 9 Euro übernachten kann und seinen Stempel kriegt. Meine Reise hatte keinerlei religiösen Hintergrund. Ich hatte zwar mein Zelt dabei und hätte theoretisch jede Nacht im freien Feld campieren können, aber das war seltener möglich, als ich gedacht hatte, denn ich fand oft keinen geographisch geeigneten Wild-Zeltplatz. Ich bewegte mich oft auf vielgenutzten Rad-/Wanderwegen und um einen wirklich ruhigen geschützten Wild-Zeltplatz für mich zu finden, hätte ich oft zu große Umwege abseits der Routen gehen müssen. Oft bot sich einfach keine Möglichkeit, sein Zelt abseits der Wege aufzuschlagen, weil es z. B. keine Wiese gab, nur bebaute Felder und wenn es Wiesen gab, dann war das Gras zu hoch, bzw. sie waren zu abschüssig oder zu gut einsehbar/schlecht geschützt etc.

Deswegen bin ich oft und gerne in Pensionen untergekommen, auch Hotels, wenn sie nicht zu teuer waren. Man konnte duschen und hatte ein richtiges Bett. Das Problem war fast jeden Tag, eine solche Pension oder ein Hotel zu finden, das noch ein Bett frei hatte. Wie motiviert ist jemand, der 10 Stunden durch Staub und Hitze mit großem Gepäck marschiert ist noch, abends die Suche nach einer Unterkunft anzufangen? Dahingehend hatte ich damals oft mehr Glück als Verstand und manchmal bekam ich durch Zufall noch ein Hotelzimmer, wo es schon dämmerte und ich kurz davor war, mich sprichwörtlich in den Straßengraben zu legen. Meine finanzielle Lage damals war noch recht gut – ich hatte meinen Lebzeitbeamten als Polizeiobermeister (A8) – zuletzt auf der Polizeiinspektion 27 in München – gekündigt und war sozusagen vogelfrei. Sämtliche längerfristige Verbindlichkeiten wie Bausparverträge, Lebensversicherungen, sonstige Kapitalanlagen hatte ich gekündigt und für diese Reise flüssig gemacht.

Gestartet bin ich damals immer recht früh am Tage. Abmarsch war meist so zwischen 6.00 und 8.00 Uhr und dafür war ich meist zeitig am Abend im Bett. Es kam auch gelegentlich mal eine Flasche Rotwein im Abendprogramm vor, die ich mir unterwegs besorgt hatte. Es gab tägliche Aufgaben wie die Klamotten aufbereiten, Unterwäsche mit “Rei in der Tube” durchs Waschbecken ziehen, Zelt im Garten draußen (oder unterwegs) zum trocknen aufhängen/aufbauen, Proviant einkaufen, Tourplanung, Füße versorgen etc…

Oben sind zwei typische Bilder eines Hotel-/Pensionsaufenthaltes zu sehen, wo einfach die Pragmatik zählte – Klamotten trocken zu bringen und sich in seinem momentanen Umfeld – seiner momentanen Situation – einigermaßen wohl zu fühlen.

Die wohl durchgehendste negative Erscheinung dieser Reise war ein gewisser Kreuzschmerz beim allmorgendlichen Aufsetzen des Rucksackes, der zwar im Laufe des Tages dann allmählich nachließ, an den ich mich aber nie so richtig gewöhnen wollte…

Bei der Bundeswehr hieß es: “Der Rucksack ist ein mießes Stück, er wirft Dich auf dem Marsch zurück!”

Dem ist nichts hinzuzufügen. Danke fürs Lesen und Schauen, es geht bald weiter – Euer Heiko

Trient / Trento

Recht ausgezehrt und von der Sonne gegerbt, aber glücklich bin ich schließlich in Trient angekommen. Oben der Neptunbrunnen auf dem Domplatz und unten die ersehnte Ankunft in meinem Hotelzimmer. Abends ging ich noch etwas durch die Stadt bummeln und verschwand dann sehr zeitig im Bett.
Nur noch ca. 250 km bis Venedig!

Fahrradautobahn

Weiter ging es durch das breite Etschtal in Richtung Trient. Der gut gebaute Radweg ist mit gelben Begrenzungsstreifen ausgestattet und man sollte als Fußgänger äußerst rechts gehen und sich gelegentlich umschauen, denn hier sind zahlreiche Rennradler mit affenartiger Geschwindigkeit unterwegs. Ich konnte diesem Abschnitt der Reise eine gewisse Monotonie nicht absprechen und meine Motivation wurde hart geprüft. Schon früh am Morgen brannte die Sonne gnadenlos herunter und es wurde tagsüber bis 35 Grad heiß. Wollte man rasten oder sich irgendwo in den Schatten stellen, musste man die “Fahrradautobahn” verlassen. Es gab jedoch kaum Dörfer abseits des Weges, sondern nur schier endlose Apfelplantagen. Ich machte den Fehler und pflückte mir einen der Äpfel, die so paradiesisch am Wegrand gedeihten. Nach zwei Bissen warf ich ihn wieder in den Graben. Es fahren immer wieder kleine Traktoren durch die Plantagen und besprenkeln die Obstbäume – allerdings nicht mit Wasser, das machen die Beregnungsanlagen.

Der Alte

“Ich hätte fast vergessen, dass mir gestern früh, nachdem ich schon etwa drei Kilometer vom Hof in Kurtining weg war, der Bauer des Hofes (Senior) höchstpersönlich mit dem Fahrrad nachgefahren ist. Ich geh grad so in Gedanken den Radweg entlang, als mich von hinten ein Radler anspricht. Es war der Bauer mit einem alten Damenrad, er gekleidet in Arbeitsmontur mit Schürzen. Da ihm seine Frau von meiner Reise erzählt hatte, wollte er sich nochmal mit mir unterhalten. Er gab mir einige nützliche Tips mit und war von seiner Art her sehr zünftig, herzlich und aufgeschlossen. Mit einem innigen Händedruck verabschiedeten wir uns und er fuhr zurück nach Südtirol, während ich meinen Marsch in Richtung Trento fortsetzte” – Zitat aus meinem Reisetagebuch.

Mir ist noch sein letzter Satz im Gedächtnis geblieben: “I woll unbedingt a mol sehn, wos des für a Bursch is, der so an Schneid hod, bis noach Venedig zu marschiern!”

Dann stieg er wieder auf sein Rad und fuhr zurück. Ich war noch ziemlich verlegen und erst im letzten Moment dachte ich daran, die Kamera heraus zu holen und ihn zu fotografieren.

 Nun verließ ich den deutschsprachigen Raum endgültig und betrat die autonome Provinz Trient / Trento.

 

Meran

Störungsbeseitigung Falschparker – Als Ex-Cop hat es mich natürlich interessiert, wie die Kolleginnen in Meran das machen.

Fast eine deutsche Stadt, so eng gebaut,
Gassen und Giebel dämmerig vertraut.

Hier möcht ich Stunden, Tage, Wochen viel
Verträumen und verschlendern ohne Ziel.

Hier möcht ich sorgenlos an schöner Brust
Vertändeln einer leichten Liebe Lust.

Hier möcht ich bleiben – wäre drüben nicht
Ostwärts die freie Luft so seltsam licht.

Dort weiß ich warten zauberhaft und hell
Mein Ziel – Venedig! Und ich reise schnell.

“Padua” von Hermann Hesse 1901

Abschied

vom Gstirnerhof, in dem ich zwei Tage gewohnt habe. Sehr nette Wirtsleute und Angestellte, gutes Frühstück und schöne Zimmer!

Der Weg führte mich weiter auf dem gut ausgebauten Radweg an der Etsch entlang. Hier kam ich am Schloss Juval – einer mittelalterlichen Burg – vorbei, die im Jahre 1278 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Im Jahre 1983 erwarb Reinhold Messner das Schloss und restaurierte es. Seitdem dient es als dessen Wohnsitz und beherbergt auch dessen Tibetika-Sammlung. Schloss und Sammlung sind Teil des “Messner Mountain Museum” und können besichtigt werden.

Dort unten im Tal liegt ein weiteres großes Etappenziel: MERAN!