Ein Traum

Kaum war ich bei Stein a. Rhein über die Grenze in die Schweiz gefahren, da hab ich sie entdeckt. Bei einem Indian-Händler stand sie vor dem Schaufenster – meine Traummaschine! Es ist eine Royal Enfield mit 500 ccm Einzylinder, 22 PS und viel Chrom. Diese Maschine sieht zwar aus wie aus den 1930er Jahren, wird aber aktuell in Indien nach neuestem Stand der Technik mit Einspritzermotor gefertigt und liegt kostentechnisch bei etwa 6000 Euro. Einfach ein Hingucker!  Es ist ein gemütliches Motorrad, denn die Höchstgeschwindigkeit liegt bei etwa 120 km/h.

Brief an den Vater

Der berühmte Brief Hermann Hesses an seinen Vater aus der Heilanstalt in Stetten vom
14. September 1892

“Sehr geehrter Herr! Da Sie sich so auffällig opferwillig zeigen, darf ich Sie vielleicht um 7 Mark oder gleich um den Revolver bitten. Nachdem Sie mich zur Verzweiflung gebracht, sind Sie doch wohl bereit, mich dieser und sich meiner rasch zu entledigen. Eigentlich hätte ich ja schon im Juni krepieren sollen. Sie schreiben: “Wir machen Dir gar keine schrecklichen Vorwürfe” weil ich über Stetten schimpfe. Dies wäre auch mir durchaus unverständlich, denn das Recht zu schimpfen darf man einem Pessimisten nicht nehmen, weil es sein einziges und letztes ist. “Vater” ist doch ein seltsames Wort, ich scheine es nicht zu verstehen. Es muß jemand bezeichnen, den man lieben kann und liebt, so recht von Herzen. Wie gern hätte ich eine solche Person! Könnten Sie mir nicht einen Rat geben… Ihre Verhältnisse zu mir scheinen sich immer gespannter zu gestalten, ich glaube, wenn ich Pietist und nicht Mensch wäre, wenn ich jede Eigenschaft und Neigung an mir ins Gegenteil verkehrte, könnte ich mit Ihnen harmonieren. Aber so kann und will ich nimmer leben und wenn ich ein Verbrechen begehe, sind nächst mir Sie schuld, Herr Hesse, der Sie mir die Freude am Leben nahmen. Aus dem “lieben Hermann” ist ein andrer geworden, ein Welthasser, eine Waise, deren “Eltern” leben. Schreiben Sie nimmer “Lieber H.” etc, es ist eine gemeine Lüge. Der Inspektor traf mich heute zweimal, während ich seinen Befehlen nicht nachkam. Ich hoffe, daß die Katastrophe nimmer lang auf sich warten läßt. Wären nur Anarchisten da! H. Hesse, Gefangener im Zuchthaus zu Stetten, wo er “nicht zur Strafe” ist. Ich beginne mir Gedanken zu machen, wer in dieser Affaire schwachsinnig ist. Übrigens wäre es mir erwünscht, wenn Sie gelegentlich mal herkämen.”

In der Klosterschule Maulbronn zeigte sich 1892 der rebellische Charakter Hermann Hesses. Er entwich aus einem Seminar, weil er entweder “ein Dichter oder gar nichts” werden wollte. Es folgte eine Odyssee durch verschiedene Anstalten und Schulen. Im Mai 1892 versuchte Hesse einen Selbstmord mit einem Revolver, der nicht losging. Hintergrund dieser Tat war wohl eine unglückliche Romanze. Er hatte in einer der Anstalten eine Frau kennen und lieben gelernt, die seine Gefühle allerdings nicht erwiderte und ihn zurückwies. Aufgrund dieses Suizidversuches wurde er in die Nervenheilanstalt in Stetten eingewiesen, wo er o. g. Brief (im Alter von 15 Jahren) verfasste.

Die Schreibmaschine

Übrigens ist mir die Maschine eine ganz unschätzbare Hilfe, die mir alles sehr erleichtert … Ich kann also zum Kauf einer Maschine nur raten. Die meine ist eine amerikanische, überaus gut und bequem, mit fünf Jahren Garantie. Sie heißt “Smith Premier Nr. 4″ und kostet allerdings neu 500 Mark (ich bekam sie fast neu für 420). … Außer Kleinigkeiten (wie daß man z. B. rot, blau, schwarz schreiben kann) hat sie den Hauptvorzug, daß auch die großen Buchstaben eine Klaviatur haben, es gibt kein Umschalten und man kann stets mit allen zehn Fingern arbeiten.

Hesse an Otto Kimmig am 11. März 1908

Bist Du eigentlich glücklich?

Bilder aus dem Museum in Gaienhofen. Hesse spürte nach kurzer Zeit, dass Häuslichkeit und das beschauliche Eheleben nicht unbedingt seiner Natur entsprachen. Zudem wurde  1905 - ein Jahr nach dem Einzug - sein erster Sohn Bruno geboren.

Er schrieb im Jahre 1904

“Seit die Ofenbehaglichkeit anfing…, befällt mich öfters ein Zorn über dies bequeme Hinleben. … Dann tut mir das Herz im Leibe weh, daß ich kein Einsamer und Wanderer mehr bin, und ich gäbe mein bißchen Haus und Glück und Behagen gern für einen
alten Hut und Ranzen, um noch einmal die Welt zu grüßen und mein Heimweh
über Wasser und Land zu tragen.”

Die Schweiz und Hermann Hesse

Ursprünglicher Grund meiner Schweiz-Reise war das Bedürfnis, meine liebe Freundin Yvonne endlich einmal wieder zu sehen. Da Hermann Hesse den größten Teil seines Lebens in der Schweiz verbracht hat und ich ein großer Verehrer dieses einzigartigen Dichters bin lag es nahe, den Besuch bei Yvonne mit einer Art Studienreise zu verbinden. In den folgenden Artikeln werden ich über diese Reise berichten.

Meine erste Station war die kleine Ortschaft Gaienhofen am Bodensee, wo Hermann Hesse im Jahre 1904 sein erstes Haus bezog (siehe oben). Er wohnte mit seiner Frau Maria Bernoulli, einer selbständigen Fotografin aus Basel, dort zur Miete in einem Bauernhaus, in dem sich heute das Hesse-Museum-Gaienhofen befindet.

“Es war die erste Zuflucht meiner jungen Ehe,
die erste legitime Werkstatt meines Berufes.”